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FAQ-Whistle #4

Aus dem Feedback zu unseren bisherigen Beiträgen und Publikationen haben wir einige besonders „prominente“ Themen herausgefiltert; diese werden wir in unserer Reihe FAQ-Whistle nach und nach vorstellen:

  • Wer trägt die Beweislast für eine Benachteiligung?

Grundsätzlich hat die Partei, die einen Anspruch geltend macht, die anspruchsbegründenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen.

Das Hinweisgeberschutzgesetz sieht nun eine Beweislastumkehr im Verfahren vor Gerichten oder Behörden vor, die sich auf eine von der hinweisgebenden Person erlittene Benachteiligung beziehen und in denen die hinweisgebende Person geltend macht, diese Benachteiligung infolge ihrer Meldung oder Offenlegung erlitten zu haben.

In solchen Fällen wird vermutet, dass die Benachteiligung eine Repressalie für die Meldung der Offenlegung war, und es obliegt der Person, die die benachteiligende Maßnahme ergriffen hat, bei Benachteiligungen im Beschäftigungsverhältnis also in der Regel dem Beschäftigungsgeber, zu beweisen, dass diese Maßnahme auf hinreichend gerechtfertigten Gründen basierte oder dass sie nicht auf der Meldung oder Offenlegung beruhte.

Hierzu gehört also zum einen die ursächliche Verknüpfung mit der Meldung oder Offenlegung, und zum anderen die ungerechtfertigte Benachteiligung. Beide werden von der Umkehr der Beweislast erfasst. Die hinweisgebende Person soll nicht von vorne herein von einer Meldung oder Offenlegung durch eine schwierige Beweisführung abgeschreckt werden.

  • Welche Sanktions- und Haftungsfolgen drohen dem Beschäftigungsgeber?
  • Schadensersatz bei Repressalien:

Im Falle der unwiderlegten Benachteiligung infolge der Meldung oder Offenlegung eines Verstoßes hat die hinweisgebende Person Anspruch auf Ersatz des aus einem Verstoß gegen das Verbot entstehenden Schadens. Auch zukünftige finanzielle Einbußen werden umfasst.

Darüber hinaus können Ansprüche auf Schmerzensgeld oder eine Entschädigung in Geld wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bestehen.

Verursacher wird in der Regel der Beschäftigungsgeber sein. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn Arbeitgeber den Ruf ihrer Hinweisgeber schädigen.

Allerdings schützt das Hinweisgeberschutzgesetz auch bspw. Selbstständige, Organmitglieder und Freiwillige, die ebenfalls einen Schadensersatzanspruch geltend machen können.

Einbezogen in den Schutzbereich sind ferner benachteiligte Helfer, d.h.

  • natürliche Personen („Dritte“), die die hinweisgebende Person bei einer internen oder externen Meldung oder einer Offenlegung im beruflichen Zusammenhang vertraulich unterstützen, insbesondere mit der hinweisgebenden Person in Verbindung stehen und in einem beruflichen Zusammenhang Repressalien erlitten haben, sowie
  • juristische Personen, rechtsfähige Personengesellschaften und sonstige rechtsfähige Personenvereinigungen, die mit der hinweisgebenden Person infolge einer Beteiligung rechtlich verbunden sind oder für die die hinweisgebende Person tätig ist oder mit denen sie in einem beruflichen Kontext anderweitig in Verbindung steht.

Angesprochene „Dritte“ sind bspw. Kollegen, Freunde und Familienmitglieder. Hier trägt die dritte Person für das Erleiden von Repressalien die Beweislast.

Der berufliche Zusammenhang kann sich bspw. aus einer gemeinsamen Arbeitsstelle oder auch aus sonstigen beruflichen Kontakten ergeben.

Auch das Verhältnis von Großunternehmen oder Zulieferunternehmen wird geregelt. Dies liegt an der großen Bedeutung von Hinweisen aus anderen Unternehmen, die mit dem betroffenen Unternehmen zusammenarbeiten. Auch die jeweiligen Unternehmen, im Beispiel das Zulieferunternehmen, müssen vor Repressalien geschützt sein, auch solche indirekter Art wie vor einer Verweigerung von Dienstleistungen, einer Erfassung auf schwarzen Listen oder einem Geschäftsboykott gegen Unternehmen, die bspw. im Eigentum der hinweisgebenden Person stehen, für die sie arbeitet oder mit der sie in einem beruflichen Kontext anderweitig in Verbindung steht. Der Schutz ist nicht nur auf juristische Personen sondern auch auf sonstige Organisationsformen des privaten Rechts ausgerichtet.

  • Bußgeldvorschriften

Das Hinweisgeberschutzgesetz verlangt wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen, die sich sowohl gegen natürliche wie auch juristische Personen richten können. Sanktioniert wird die juristische Person und gleichgestellte Personenvereinigungen, ebenfalls aber das vorsätzliche oder fahrlässige Unterlassen der gehörigen Aufsicht durch den Inhaber eines Betriebs oder Unternehmens persönlich.

Der Bußgeldrahmen beträgt – je nach Zuwiderhandlung – bis zu 20.000 EUR bzw. 100.000,- EUR. Bei besonderer Schwere der Verfehlungen kann sich die Höchstgrenze für Geldbußen auch verzehnfachen. Es soll vermieden werden, dass betroffene Unternehmen eine Geldbuße mangels abschreckender Höhe in Kauf nehmen. Denn Fälle in der Vergangenheit haben gezeigt, dass unter Umständen ein großes Interesse daran bestehen kann, hinweisgebende Personen von einer Meldung oder Offenlegung abzuhalten, vor allem wenn die Unternehmensleitung oder ganze Bereiche eines Unternehmens in systematische Verstöße verwickelt sind. Repressalien zur Verhinderung von Meldungen mit Blick auf Umsatzeinbußen oder auf Schadensersatzforderungen ist wirksam durch Abschreckung bei der Bußgeldhöhe zu begegnen.

  • Welche konkreten Risiken drohen umgekehrt dem unlauteren Hinweisgeber?
  • Schadensersatz nach einer Falschmeldung

Eine falsche Verdächtigung im Rahmen einer Meldung oder Offenlegung kann weitreichende Folgen für die betroffene Organisation haben. Die Auswirkungen lassen sich unter Umständen nicht mehr vollständig rückgängig machen.

Daher steht den Geschädigten ein Anspruch auf Ersatz des aus einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen unrichtigen Meldung oder Offenlegung entstandenen Schadens zu, nicht jedoch aus einer einfachen fahrlässigen unrichtigen Meldung.

  • Ausschluss der haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit

Es wird insoweit die gutgläubige hinweisgebende Person bestmöglich geschützt. Denn auch überhöhte Anforderungen in Bezug auf die Überprüfung der Richtigkeit dürfen im Interesse dieses Schutzes an die hinweisgebende Person nicht gestellt werden.

Potenziell hinweisgebenden Personen soll nach dem Willen des Gesetzgebers die Sorge genommen werden, dass sie durch die Weitergabe relevanter Informationen selbst zur Verantwortung gezogen werden, weil sie diese eventuell nicht rechtmäßig erlangt haben könnten, bspw. durch Verwertung von E-Mails eines anderen Beschäftigten oder von Dateien, auf die sie normalerweise keinen Zugriff haben oder die sie nicht nutzen, durch das Fotografieren von Räumlichkeiten, zu denen sie keinen Zugang haben etc.

Folglich scheidet auch jegliche Verantwortlichkeit der hinweisgebenden Person für daraus entstandene Schäden grundsätzlich aus. Wenn ihr also bspw. eine Verletzung des Urheberrechts, des Geschäftsgeheimnisses, der Vertraulichkeit oder des Schutzes personenbezogener Daten außerhalb des beruflichen Kontextes und im Zusammenhang mit der Meldung vorgeworfen wird, kann sie sich darauf berufen, die Meldung im Einklang mit dem Hinweisgeberschutzgesetz vorgenommen zu haben, sofern die gemeldeten oder offen gelegt Informationen notwendig waren, um den Verstoß aufzudecken. Es besteht auch insoweit keine rechtliche Verantwortlichkeit; bspw. sind Regressansprüche auch in diesem Falle ausgeschlossen. Allerdings muss hinreichender Grund zu der Annahme bestehen, dass die Meldung oder die Offenlegung erforderlich ist, um den Verstoß aufzudecken.

Die Schutzvorschriften sind zwingend, sie können weder individuell noch in kollektiven Vereinbarungen zu Ungunsten der geschützten Personen zur Disposition gestellt werden. Auch tarifliche und betriebliche Regelungen dürfen nicht entgegenstehen. Jegliche Beschränkung und jeglicher Ausschluss sind unwirksam. Dies gilt insbesondere auch für den freien Zugang zu externen Meldestellen oder die Zulässigkeit einer Offenlegung unter den Voraussetzungen des Gesetzes. Auch mittels einer Schutzvereinbarung darf keine Beschränkung oder ein Ausschluss erfolgen.

Anders liegt es nach dem neuen Gesetz nur, wenn die Beschaffung als solche oder der Zugriff als solcher bereits eine Straftat darstellt. Hierdurch will der Gesetzesgeber ein bewusstes Auskundschaften auf der Suche nach Meldungen ausschließen. Wenn hinweisgebende Personen also eine Straftat wie bspw. Hausfriedensbruch, Ausspähen oder Abfangen von Daten begehen, bleibt ihre Strafbarkeit ebenso unberührt wie eine etwaige zivilrechtliche oder verwaltungsrechtliche Verantwortlichkeit (insbes. Schadens- und Unterlassungshaftung; Bußgeld).

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